ANDREAS KALCKHOFF
Kampf um Liebe: Liudolf und Otto der Große.
Politische Kultur im Frühmittelalter

 

Überarbeitete Neuauflage des 1982 unter dem Titel „Historische Verhaltensforschung: Ethnologie unserer Vergangenheit. Die Konfiguration eines Aufstandes im zehnten Jahrhundert“ erschienen Essays in Band 11 der Berliner Zeitschrift "Unter dem Pflaster liegt der Strand" (Karin Kramer Verlag).

© Andreas Kalckhoff, Stuttgart 2017

 


„Nachdem er aber die Macht erhalten hatte, legte er die ruhige Art ab, die er als Bub an sich gehabt hatte, führte ein bewaffnetes Heer nach Italien, und nachdem er dort einige Städte eingenommen und sie unter Besatzung gestellt hatte, kehrte er selbst nach Franken zurück.“

Widukind von Corvey, Chronist.


Wenn Historiker über mittelalterliche Geschichte schreiben, bekommen sie oft Probleme mit den erzählenden Quellen, in denen nichts von dem diskutiert wird, was uns heute wichtig ist: sozialpolitische Probleme, wirtschaftliche Interessen, verfassungsrechtliche Fragen, geopolitische Strategien. Sie wundern sich, dass die Chronisten von feierlichen Vertragsschlüssen berichten, aber nichts über ihren Inhalt sagen, oft auch nichts über den Inhalt von Verhandlungen, Beschuldigungen und Anklagen erzählen. Statt sachliche Informationen zu liefern, berichten sie über Liebe, Hass und Neid der Mächtigen, über ihre Tatkraft, Klugheit, Mäßigung, Milde und Beständigkeit, und stellen Ehre und Treue als Handlungsmotive in den Vordergrund.

In diesem  Essay wird vorgeführt, dass in einer Welt, in der nicht Institutionen, sondern persönliche Beziehungen die Politik bestimmten, scheinbar private Emotionen und persönliche Eigenschaften tatsächlich ausschlaggebend für das politische Handeln waren. Doch hatten Begriffe wie Liebe, Ehre und Treue eine andere Bedeutung als heute. Liebe ist in diesem Kontext kein privates Gefühl, sondern bezeichnet eine politische Beziehung: Die Völker, glaubte man, würden entweder durch Liebe oder durch Furcht zusammengehalten. In einem Gespräch mit Karl dem Großen beschreibt sein Berater Alkwin Liebe als „gutwilligen Dienst“ und „gewissenhafte Achtung“ den Blutsverwandten und dem Vaterland gegenüber. Ihre Alternative war Gewalt. Rat und Vermittlung waren die politischen Instrumente, von Gewalt abzuraten und Liebe wiederherzustellen.

 

Fantasievolle Darstellung Liudolfs. Illustration in der „Chronik der Sachsen und Thüringer“ (sog. Spalatin-Chronik) aus der Schule von Lucas Cranach.


Zurück zu: BuchveröffentlichungenStartseite